Isaac Julien, geboren 1960 in London, ist Künstler, Filmproduzent und Hochschullehrer. Studium von Malerei und Film an der Central Saint Martins College of Art and Design. Nach dem Studium gründete er Sankofa Film and Video Collective und war 1999 ein Gründungsmitglied von Normal Films. Er drehte in den folgenden Jahren mehrere Filme. Von 2009 bis 2015 war Julien als Professor an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe tätig.
Website Isaac Julien
KINO DER KUNST 2020
Lessons of the Hour
GBR 2019, 35mm, 4k, 25’45’’, Englisch/English
Kamera/Cinematography: Nina Kellgren
CAST: Ray Fearon, Cara Horgan, Mikael Olsson
Europapremiere/European Premiere
„Lessons of the Hour“ ist eine poetische Meditation über das Leben und die Epoche von Frederick Douglass (1818-1895), dem visionären afroamerikanischen Abolitionisten und befreiten Sklaven. Der Film bietet eine kontemplative Reise in Douglass‘ Zeitgeist und dessen Beziehung zur heutigen Zeit und enthält Ausschnitte von Douglass‘ wichtigsten Reden sowie Anspielungen auf sein privates und öffentliches Milieu.
KINO DER KUNST 2017
Young Soul Rebels
(GBR/FRAU/DEU/ESP 1991, 105 Min., 35mm, dtF)
Der junge Soul-DJ Chris wird in einen Mord verwickelt …
Der Film spielt 1977, während des silbernen Thronjubiläums der Königin. Mit seinem Partner Caz betreibt der junge schwarze Londoner DJ aus einer Garage im East End einen illegalen Radiosender namens Soul Patrol. Als ein Freund der beiden in einem Londoner Park umgebracht wird, wird Chris wegen Mordes verhaftet.
Young Soul Rebels wurde 1991 auf den Filmfestspielen in Cannes mit dem „Semaine de la Critique“-Preis ausgezeichnet und war der Ausgangspunkt für die Karriere von Sophie Okonedo. Weitere Schauspieler: Valentine Nonyela und Mo Sesay.
The Attendant
(GBR 1993, 7 Min. 59 Sek., 35mm, enOF)
Ort des Geschehens in The Attendant (1993) ist ein Museum, genauer gesagt Wilberforce House im englischen Hull, das der Geschichte der Sklaverei gewidmet ist. Das Museum, das wirklich in Hull steht, wird durch Isaac Julien zu einem surrealen Ort. Thema des Films sind die sexuellen Fantasien eines schwarzen Museumswärters mittleren Alters, die durch eine junge weiße Besucherin hervorgerufen werden. Die Geschichte findet größtenteils abends statt, wenn das Museum geschlossen hat. Während der Wächter durch die Ausstellungsräume läuft, wird das riesige Gemälde „Sklaven an der Westküste Afrikas“ des Franzosen François-Auguste Biard aus dem 19. Jahrhundert zum Leben erweckt. Die melodramatische Szene eines weißen Herrn, der sich über eine sterbende schwarze Sklavin beugt, verwandelt sich in eine zeitgenössische sadomasochistische Orgie in Lack und Leder… Eine andere Filmszene spielt in einem Saal, in dem Soft-Core-Zeichnungen von Tom of Finland hängen, einer der vielen Bezüge in dem Film zur zeitgenössischen Kunst.
Holland Cotter, The New York Times (24. November 2006), übers. v. Sabine Hentschel
Frantz Fanon, Black Skin White Mask
(GBR 1996, 73 Min., 35mm, enOF)
In diesem Spiel-/Dokumentarfilm erzählen Interviews, Rekonstruktionen und Archivmaterial die Lebens- und Arbeitsgeschichte des einflussreichen antikolonialistischen Schriftstellers Frantz Fanon, der unter anderem „Black Skin, White Mask“ und „The Wretched of the Earth“ verfasst hat, und eines Psychiaters in Algerien während des Unabhängigkeitskriegs von Frankreich.
Den Impuls für das Filmprojekt gab die Notwendigkeit des akademischen und künstlerischen Diskurses über die Anerkennung der Originalität und der Widersprüchlichkeit dieses großen Denkers. Geplant war der Film als Reflexion über das wieder aufflammende Interesse an Fanons Ideen zur bildenden und Performance-Kunst der Schwarzen. Die Bewegung der schwarzen Kunst in Großbritannien und Nordamerika suchte nach einer umfassenderen Grundlage für die Reflexion über den schwarzen Körper und dessen Darstellung. Während des Drehs wurde der Filmauftrag auf weitere Aspekte von Fanons Einfluss und Erbe erweitert.
Three
(USA 1999, 14 Min., 16mm, Video Transfer, enOF)
Three entstand in Zusammenarbeit mit den Choreographen Bebe Miller und Ralph Lemon, die neben der britischen Schauspielerin Cleo Sylvestre auftreten, und erkundet Aspekte der Begierde durch Tanzbewegungen und symbolisch aufgeladende Bilder.
Diese Bilder werden ihren sozialen, kulturellen oder religiösen Hintergründen gegenübergestellt, wodurch eine Erzählung entsteht, die auf interdisziplinäre Codes zurückgreift und sie kommentiert. So zielt Julien in seiner Arbeit unter anderem tatsächlich darauf ab, Grenzen zwischen künstlerischen Disziplinen aufzubrechen, indem er sie in einem exponentiellen Dialog vereint. Die Zusammenarbeit, durch die der Film entstand, ist sein wichtigstes Element – Film, Tanz, Fotografie, Musik, Theater, Malerei und Bildhauerei werden aufgezeigt, kommentiert und in einer poetischen Landschaft zu einer stark bildlichen Geschichte verwoben.
Baltimore 2003
(GBR 2003, 12 Min. 43 Sek., 16mm, DVD Transfer, enOF)
Inspiriert von Blaxploitation-Filmen, die er während des Drehs seines Dokumentarfilms „Baadasssss Cinema“ sah, übernimmt Julien Stil, Gesten, Sprache und Bilderwelten des Genres für eine Arbeit, die sich nur schwer in eine Kategorie einordnen lässt. Mit dem schwarzen Schauspielveteran und Regisseur Melvin Van Peebles in der Hauptrolle war Baltimore ursprünglich zumindest teilweise als Hommage an dessen Filme gedacht. Er führt drei Museen in Baltimore mit Blaxploitation-Filmen zusammen, die mit coolen Sprüchen und hartem Leben das Symbol der Black-Empowerment-Bewegung darstellen, der Van Peebles 1971 mit „Sweet Sweetback´s Baadasssss Song“ zum Aufstieg verhalf. Baltimore ist ironisch und funky, nostalgisch und futuristisch, ruppig und weich. Seine Hauptmerkmale sind eine schnelle Kameraführung und das beharrliche formelle Spiel mit der linearen Perspektive, welche zudem als Hommage an Piero della Francesca und insbesondere an das Gemälde eines unbekannten Künstlers um 1500 mit dem Titel „Ansicht einer idealen Stadt“ im Walters Art Museum dient.
Derek
(GBR 2008, 78 Min., Digital Video, enOF)
In seinen Filmen, die ein Sinnbild für seine Generation sind, stellt Derek Jarman stets Zeit und Kunst in Frage. Jarman war Maler in einer Zeit, in der das London der 1960er Jahre die Kunsthauptstadt der Welt war. Jarman war jedoch auch Filmemacher, womöglich eine der bedeutendsten Figuren des britischen Independent-Films in den Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern. Als Homosexueller genoss er die Freuden der Gay-Liberation-Bewegung und erlebte die Tragik von AIDS und hielt als teilnehmender Beobachter all das mit Stift oder Kamera fest, was sich vor seinen Augen abspielte – von Punk bis Margaret Thatcher.
Heute dienen diese Bilder dazu, seine Kunst in seiner Zeit zu verorten. Es gibt jedoch auch Bilder von Jarman selbst, als er verstärkt Medienaufmerksamkeit erlangte, und – das Band, das alles zusammenhält – ein ganztägiges Interview mit Colin MacCabe aus dem Jahr 1990. Es ist seine Flaschenpost, eine Bestandsaufnahme seines Lebens aus dem Blickwinkel seines Todes, ein Talisman für die Zukunft.
Das Hier und Jetzt wird in Isaac Juliens Dokumentarfilm durch einen Brief von Tilda Swinton an Jarman dargestellt, den sie als Stimme aus dem Off liest – ein betörender Erzählfaden durch den Film, der Jarmans Leben näher an eine neue Generation, an ein neues Publikum führt.